Weihnachten im Dichtestress
Würden wir es bemerken, wenn der Gottessohn heute in unsere Welt käme?
«Als die Zeit erfüllt war, da sandte Gott seinen Sohn...»
(Galater 4,4)
Was kündigt nicht alles den Besuch des kleinen Gottessohnes Jesus auf seiner Erde an: Ein Engel begegnet Maria. Im Traum vernimmt Josef den Namen des Kindes. Ein Stern lässt Magier zum neuen König aufbrechen. Hirten umflutet ein Licht mitten in der Einsamkeit der Steinwüste. Und im Gewimmel des Tempels entdeckt der alte Simeon ein kleines Kind und ruft: «Meine Augen haben den Erlöser gesehen!»
Ich habe mich gefragt: Hätten wir heute noch offene Sinne und die Ruhe dazu, die Ankunft eines besonderen Kindes zu bemerken?
Engel sind zwar beliebt – aber stumme Engel aus Holz und Federn, die uns nicht dreinreden. Nicht dass sie etwa unsere Pläne durcheinanderbringen! Fände der Engel dich in einem stillen Moment? Und könntest du ihm antworten, wie Maria: «Mir geschehe, wie du gesagt hast.» (Lukas 1,38)
Auch wir träumen. Doch wer lässt sich im Traum seine grossen Fragen beantworten? Josef, verwirrt durch die plötzliche Schwangerschaft seiner Frau, findet nach seinem Traum zur Ruhe. Wie wach träumst du?
Auch an unserem Nachthimmel erscheinen ein paar Sterne. Sehen wir sie noch? Würde uns auffallen, wenn da einer mehr leuchtet? Wie oft schauen wir überhaupt still in den Nachthimmel? Und würden wir aufbrechen und alles zurücklassen, um dem Gotteskind zu begegnen wie die «drei Könige»?
In unserem dicht besiedelten Land gibt es nur wenig Weite zwischen den Häusern; für Schafherden ist kaum mehr Platz. Nachts ist es überall hell. Autolichter ziehen vorbei, Bewegungsmelder zünden Scheinwerfer an. Halten wir die Dunkelheit einmal aus, damit wir umso deutlicher das Weihnachtslicht sehen?
Und wenn wir uns im Gewimmel der Menschen befinden, wie der alte Simeon: Sehen wir das einzelne Gesicht? Die leuchtenden Kinderaugen? Den traurig suchenden Blick einer Obdachlosen? Ja, Gottes Abbild auch im unbekannten Gegenüber?
Noch heute kann uns Gott überraschen, unerwartet und still. Lange Winternächte, Einsamkeit, und sogar Menschenmengen am Weihnachtsmarkt: Sie können uns zum menschgewordenen Gott hinführen, wenn wir nur wach sind und sehen, wie sich Gottes Wort vor unseren Augen erfüllt.
Eine Begegnung mit Gott in der Weihnachtszeit wünscht
Ihr Lindenpfarrer
Giancarlo Voellmy